#Radfunk - Kinder, Fahrradhelme, Schulweg und Motorik
Autor: Christopher Deschauer
Veröffentlicht:in: Kinderfahrradfinder, Straßenverkehr
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Der Kinderfahrradfinder im Radio - im Radfunk bei Deutschlandfunk Nova
Unglaublich aber wahr: Zwei Tage nach der Kidical Mass bekam der Kinderfahrradfinder einen Anruf von Klaas Reese - Moderator des Radfunk-Podcasts bei Deutschlandfunk Nova: Ob ich Interesse hätte, bei der nächsten Ausgabe zum Thema "Kinder auf dem Fahrrad im Straßenverkehr" dabei zu sein.
Klar wollte ich! Ich war noch nie im Radio.
48 Stunden später fand ich mich im altehrwührdigen RIAS-Rundfunkhaus am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin im Sendestudio allein im einen Raum vorm Mikro wieder. Der zweite Gast - die Fahrradpolizistin Sonja Bongartz - und die Moderatoren Klaas Reese und Paulus Müller saßen in Köln. Ich war zugeschaltet. Und schon begann die Aufzeichnung.
Hier könnt Ihr die Sendung hören: Radfunk Episode 4 - Klein, unerfahren und unerschrocken - Kinder im Straßenverkehr
Rückblende: Was hatte ich zwischen Anruf und Sendungsbeginn getan? Erstmal eine Radfunk-Ausgabe hören, um zu wissen, was mich erwartet. Aha, man siezt sich dort. Und dann: Ich war aufgeregt, ging im Kopf die Punkte durch, die wohl beim Thema Kinder im Straßenverkehr zur Sprache kommen würden. Und ich überlegte mir, was ich dazu jeweils sagen wollte.
Und wo ich irgendwas Bestimmtes sagen wollte: Quellen, Zahlen, Namen notieren... der Deutschlandfunk ist keine Stammtischrunde. Was man da sagt, sollte wohl Hand und Fuß haben.
Weniger wäre hier aber vielleicht mehr gewesen. Der Kopf war ein bisschen zu voll. Nachdem ich die Sendung nun gehört habe: Ich bin manchmal ins Stammeln geraten. Aber hey, jeder fängt mal an.
Die gute Stunde Sendezeit verging dann wie in Trance. Aber angenehm: Paulus und Klaas waren freundlich, manchmal lustig, immer interessiert und absolut professionell. Radio halt. Und Deutschlandfunk.
An dieser Stelle auch mein Kompliment an die Polizistin Sonja Bongartz: Durchweg klar und fundiert zu allen Themen. Sie ist nicht nur Mitglied der Kölner MTB-Staffel (die gar keine Mountainbikes fährt, sondern Trekking-Räder ;-)), sondern geht als "Verkehrssicherheitsberaterin" direkt an die Schulen, um Grundschülern (Fahrrad-)sicherheit näher zu bringen. Sie brachte also Erfahrungen aus allererster Hand mit in die Sendung.
Ehe ich mich versah, stand ich wieder draußen im Park neben dem RIAS-Funkhaus. Insgesamt war ich recht zufrieden. Aber was hatte ich gesagt? Was hätte ich eigentlich noch sagen wollen? Aber, nutzt nix. So ist Radio. Die Aufzeichnung war vorbei.
Nun ich habe ja diesen Blog. Und so nutze ich hier die Gelegenheit, zu ein paar der Themen noch das eine oder andere ergänzende Wort zu verlieren. Meine persönliche Nachlese sozusagen:
Kinder & der Fahrradhelm
Das Helm-Thema kam spät in der Sendung. Ich hatte schon fast gehofft, es würde gar nicht mehr angesprochen. Aber dann war es da. Und ich sagte - etwas zaghaft - zwei Dinge dazu:
- Dass ich Helme in Bezug auf die Sicherheit von radfahrenden Kindern für überbewertet halte.
- Dass ich das Gefühl habe, dass hier von Lobbyisten des Autoverkehrs versucht wird, Verantwortung auf Radfahrer abzuwälzen, damit sich an den heutigen Freiheiten des Kfz-Verkehrs nichts ändern muss.
Das Fahradhelm-Thema verdient eigentlich einen eigenen Blog-Beitrag
Trotzdem möchte ich hier zumindest noch ein paar Anmerkungen zu obigen Aussagen machen und Denkanstöße geben: Wenn es in Deutschland um Fahrrad fahren und Sicherheit geht, nimmt das Thema Helm großen Raum ein. Polizei, Verkehrswacht, Politiker, der ADAC und andere Protagonisten beziehen hier seit Jahren viel und eindeutig Position pro Helm.Teilweise mit kostspieligen Kampagnen und auch direkt an Schulen.
Unfallmeldungen der Pressestellen der Polizeien tun ihr Übriges: In ihnen findet die Tatsache, dass ein verunfallter Radfahrer keinen Helm trug, nicht selten auch dann Erwähnung, wenn es garnicht zu einer Kopfverletzung kam. (Eine ergiebige Anlaufstelle für Interessierte, ist der Twitter-User "Dankhelm", der skurrile Meldungen rund um das Thema Fahrradhelm sammelt.)
Die Helmtragequote bei Kindern bis 10 Jahre liegt dementsprechend in Deutschland mittlerweile deutlich über 70 Prozent.
Ich denke, viele Eltern sehen sich hier mittlerweile so derart unter sozialem Druck, dass sie teilweise schon ganz unabhängig von eigener Bewertung des Themas und Sicherheitsfragen, allein aus Angst vor dem Vorwurf der Verantwortungslosigkeit zum Helm für ihr Kind greifen.
Ganz anders in den Niederlanden, die nicht nur in Bezug auf Infrastruktur, sondern auch in punkto Radfahrersicherheit gemeinhin als vorbildlich gelten. Dort liegt die "Helmtragequote" in allen Altersgruppen seit jeher und bis heute nahe null. Helme tragen dort Rennradfahrer. Sonst (fast) niemand.
Wer fordert eigentlich das Tragen von Fahrradhelmen?
Der ADAC empfiehlt sie. Politiker der konservativen Parteien gehen teilweise so weit, eine Helmpflicht zu fordern. Und das, obwohl Statistiken aus Ländern, die eine Helmpflicht eingeführt haben (Australien und einige Provinzen in Kanada), belegen, dass sie vor allem die Zahl der Radfahrenden reduziert - kaum aber das Risiko, als (dann behelmter!) Radfahrer, eine Kopfverletzung zu erleiden.
Ganz weit vorne bei Kampagnen pro Fahrradhelm tritt die Deutsche Verkehrswacht auf. Sie propagiert das Helmtragen auch direkt vor Ort in den Schulen. Mitunter mit - nach meinem Empfinden - mehr als fragwürdigen Methoden:
„Oben ohne fährt der Doofi, wer mit Helm fährt ist ein Profi…“ So klang es in der Grundschule Willanzheim aus 22 Kehlen von Kindern. Diese Feier war der Höhepunkt der Fahrradausbildung der 4. Klasse." [Quelle: https://www.infranken.de/regional/kitzingen/Oben-ohne-faehrt-der-Doofi;art218,741503]
Ich formuliere es mal hart: Hier werden Kinder meines Erachtens (durch Gruppendruck) dazu gezwungen, nicht helmtragende Kinder durch den Text des Lieds zu beleidigen - ja, im Fall des nicht helmtragenden Kinds, sogar sich selbst zu verunglimpfen. Und dazu angestiftet, sie auch im Nachgang zu mobben, bis sie sich entnervt und gedemütigt halt doch einen Helm zulegen.
Einen besonders bitteren Beigeschmack bekommen solche Aktivitäten - es gibt in Deutschland keine Helmpflicht, auch nicht für Kinder - wenn man sich mal in einem der jährlichen Geschäftsberichte der Deutschen Verkehrswacht die Abschnitte "Ordentliche Mitglieder" und "Fördermitglieder" anschaut: Da tauchen unter anderem ein Fahrradhelmhersteller, Öl- und Autokonzerne, Automobilclubs sowie der Verband der Deutschen Automobilindustrie auf.
Die versammelte deutsche Kfz-Industrie, Auto-Lobbyisten und eine Firma, die mit jedem verkauften Helm Geld verdient also in größter, selbstloser Sorge um die Sichherheit von Radfahrern? Ich denke, das darf mal von ganzem Herzen und vollumfänglich bezweifelt werden.
Soviel erst einmal an dieser Stelle. Auch wenn es doch viel geworden ist: Einen eigenen Beitrag zum Thema werde ich bestimmt irgendwann auch noch schreiben.
Kognitive und motorische Fähigkeiten - oder: "Das verkehrsgerechte Kind"
In der Sendung erwähnte Frau Bongartz den Umstand, dass Kinder erst etwa ab einem Alter von 14 Jahren voll entwickelte, motorische und kognitive Fähigkeiten erlangen. So dass voll verkehrsgerechtes Fahrrad fahren erst etwa ab diesem Alter möglich ist.
Tatsächlich wurden die Entwicklungsstufen von Kindern in Bezug auf für den Straßenverkehr benötigte Fähigkeiten in wissenschaftlichen Untersuchungen detailliert erforscht. Und in diesen Studien findet sich auch die Aussage zur vollen Ausprägung aller im Straßenverkehr wichtigen Fähigkeiten im Alter von etwa 14 Jahren. (siehe z.B. https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/Goslar.html)
Ebenso findet sich in diesen und anderen Untersuchungen allerdings auch die Aussage, dass die Altersangaben bezüglich Erreichen von Entwicklungsstufen als grobe Richtwerte aufzufassen sind. Nicht nur weil sich verschiedene Kinder in verschiedenen Bereichen verschieden schnell oder langsam entwickeln, sondern auch weil Übung und Erfahrung das Erlangen entsprechender Fähigkeiten beschleunigen können.
Außerdem auch (Ab)sätze wie dieser:
"Entwicklungsbedingte Besonderheiten von Kindern im Straßenverkehr lassen sich durch Verkehrserziehung nur teilweise kompensieren. Ein absolut "verkehrssicheres" Kind ist durch Verkehrserziehung nicht zu erzielen. Aus diesem Grund dürfen die Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder nicht nur beim Kind, sondern müssen – auch und besonders - bei seiner Verkehrsumwelt ansetzen."
(aus https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/pdf/KadS.pdf)
Und diese beiden Punkte - Erfahrung & Übung, sowie eine geeignete Verkehrsumwelt - stehen selbstredend in einem Wechselspiel: Je eher das Umfeld vor der Haustür einlädt, sich im Verkehr zu üben, zu erproben und Erfahrungen zu sammeln - sei es auf dem Fahrrad oder auch zu Fuß - desto mehr wird auch geübt werden. So einfach. Und ähnlich auch andersherum: Je mehr geübt wird, je mehr Erfahrungen gesammelt werden, desto eher wird ein Kind sicherer, im Straßenverkehr zu bestehen.
Denn dass die Konsequenz nicht heißen kann, Kinder erst mit 14 Jahren alleine Fahrrad fahren zu lassen, und sie bis dahin durch ausschließlich begleitetes Fahren in ihrer Bewegungsfreiheit und Entwicklung von Selbstständigkeit zu beschränken, dürfte einleuchten. Ebenso wie bevorzugter Transport im "Elterntaxi". Denn gegen dieses spricht bei weitem nicht nur die Tatsache, das dadurch genau erst die Gefahr erzeugt wird, vor der es vermeintlich schützen soll, sondern auch die massive Reduzierung von Zeit und Möglichkeiten des Kinds, sein Umfeld zu erleben, zu erforschen, zu entdecken und zu interagieren.
Zu diesem Thema gibt es zwei eigene Beiträge im Kinderfahrrafinder-Blog, die sehr deutlich machen, warum der Versuch, sein Kind vor möglichen Gefahren im Straßenverkehr abzuschotten, indem man auf das Auto setzt, keine guter Weg ist: "Der Schulweg - Bitte nicht mit dem Elterntaxi" und "Schulweg: mit dem Fahrrad zu Grundschule und Kita"
Fahrradinfrastruktur - oder: "Der kindgerechte Verkehr"
In der Radfunk-Sendung habe ich gesagt, dass wenn Kinder bis zum 14.Lebensjahr nicht voll "verkehrsgerecht" sind, man dann doch besser andersherum darüber sprechen sollte, dass der Straßenverkehr dann offenbar derzeit bis zum 14.Lebensjahr von Kindern nicht kindgerecht ist. Und dass wir dann doch vor allem auch an dieser Stelle ansetzen sollten. Und da war es, das Thema Fahrrad-Infrastruktur, das - wie das Helm-Thema - aktuell in aller Munde ist.
Wer "Fahrrad-Infrastruktur" hört, denkt zuerst - wenn nicht gar ausschließlich - an Radwege. Aber es steckt deutlich mehr dahinter. Und nicht jeder Radweg ist ein guter (und kindgerechter) Radweg.
An dieser Stelle hole ich mal etwas aus: Auf den Radar des Deutschlandfunks bin ich wohl durch meine Rolle als Anmelder der vom Berliner Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln veranstalteten, zweiten Berliner "Kidical Mass" geraten. Eigentlich gemeint als Critical Mass (die per definitionem unpolitisch ist) für Kinder.
In Deutschland müssen Kinder aber mindestens 8 Jahre alt sein, um auf der Fahrbahn fahren zu dürfen. Sollen auch jüngere Kinder dabei sein können, führt hier für eine Kidical Mass kein Weg an einer Anmeldung als Demonstration vorbei.
Eine Demonstration wiederum braucht einen Anlass. Irgendetwas wofür oder wogegen demonstriert wird. Wir Organisatoren verständigten uns darauf, keinen konkreten Forderungskatalog aufzustellen, sondern die Kidical Mass ganz einfach unter das Motto "Mehr Bewegungsfreiheit für Kinder auf Berlins Straßen" zu stellen.
Für Bewegungsfreiheit von Kindern braucht es nun zwei Dinge. Erstens Platz. Zweitens: Ein hinreichendes Maß an Sicherheit. Und beides wird heute in Städten zuvorderst durch genau eines massiv beschränkt: Durch den Autoverkehr, der absurd viel Raum einnimmt. Nicht nur fahrend, sondern wohl über 90 Prozent der Zeit auch stehend. Und der durch sein Vordringen bis in den letzten Winkel unserer Städte mit Geschwindigkeiten, die bei Kollisionen fast unweigerlich zu schweren Verletzungen führen und häufig sogar tödlich sind, Kindern ihrer Bewegungsfreiheit beraubt.
Das ist der Standpunkt des Kinderfahrradfinders zu diesem Thema: Damit sich Kinder in Städten frei und sicher bewegen können, muss der Autoverkehr zurückgedrängt - und dort wo er bleibt, gezähmt werden.
Der Bürgermeister von Bogota Enrique Peñalosa hat es einmal so formuliert: „Ob eine Stadt zivilisiert ist, hängt nicht von der Zahl ihrer Schnellstraßen ab, sondern davon, ob ein 3-jähriges Kind auf dem Dreirad überall unbeschwert hinkommt“.
So sollte es sein. Und dafür ist weit mehr nötig, als "Radwege" - die ohne Zurückdrängung und Zähmung des Autoverkehrs in weitesten Teilen der Städte übrigens auch schlicht niemals breit genug ausgeführt werden können, um für alle sicheren und komfortablen Radverkehr zu ermöglichen.
Aktuell fordert der Volksentscheid Fahrrad in Berlin und seine Ableger in vielen anderen Städten mit großer Vehemenz und bemerkenswertem Erfolg neue, von Fahrbahnen getrennte Radwege ein. Unter anderem auch mit dem Anspruch, mit diesen, Kindern sicheres Radfahren in Städten zu ermöglichen. Ein hehres Ziel. Der Kinderfahrradfinder hatte den Volksentscheid seinerzeit (nicht nur deshalb) auch selbst unterschrieben.
Leider zeigt sich mittlerweile, dass die Aktivisten der Radentscheide zu oft bereit sind, sich in Sachen Radwegbreiten so dermaßen mit Almosen abspeisen zu lassen, dass solche Wege - einmal gebaut - eher geeignet sind, Kfz-Verkehr zu beschleunigen, als komfortablen und sicheren Radverkehr zu ermöglichen. Zumal diese Wege meist als sogenannte "Radfahrstreifen", die mit Pollern vom Kfz-Verkehr getrennt sind, ausgeführt werden sollen. Radfahrstreifen sind per definitionem "benutzungspflichtig". Das heißt, dass es derzeit darauf hinaus läuft, dass sich vielerorts Kinder, Senioren, Lastenräder und schnellere Radfahrer bald verpflichtende, zu enge Wege teilen müssen, während der Kfz-Verkehr nebenan dann ungehindert fließen kann. Aktuelles Paradebeispiel für solche Planungen ist die Berliner Hasenheide.
Und so können solche Radwege meiner Einschätzung nach auch nicht einmal sowas wie ein erster Schritt zu besserer und kindgerechter Infrastruktur sein, sondern sie drohen ganz im Gegenteil, das Verhältnis zwischen raumgreifendem und allgegenwärtigen Kfz-Verkehr und an den Rand gedrängtem Radverkehr zu zementieren.
Auch zu diesem Thema werde ich sicher nochmal einen ausführlicheren Beitrag schreiben.
Die Straßenverkehrsordnung - §1 vs. §3(2a)
An diesem Punkt kam ich in der Sendung nicht klar rüber. Daher hier nochmal ausführlich und geordnet ;)
Jeder Deutsche kennt den ersten Paragraphen der Straßenverkehrsordnung, der alle Verkehrsteilnehmer zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichet.
Weniger bekannt (und dementsprechend weniger beachtet) ist §3(2a) der eine besondere Form der Rücksichtnahme nochmal im Speziellen vorschreibt:
§3(2a) StVO - Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Das ist sehr stark formuliert. Eine Gefährdung von Kindern muss ausgeschlossen werden. Und nach Auffassung des Kinderfahrradfiinders ist dieser Paragraph auch viel geeigneter, das richtige Verhältnis zwischen Kindern und anderen Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr zu beschreiben: Denn hier nur auf "gegenseitige Rücksichtnahme" zu verweisen, gleicht einigermaßen einer Aufforderung an junge Gänse, auf ausgewachsene Füchse Rücksicht zu nehmen.
Ein ganz anderes Thema in der Sendung: Die Rücktrittbremse
Sowohl bei Frau Bongartz, als auch bei den Moderatoren, habe ich für Verblüffung gesorgt, als ich erklärte, in die Fahrrad-Datenbank des Kinderfahrradfinders (fast) keine Räder mit Rücktrittbremse aufzunehmen, da ich von diesem Bremsentyp abrate.
Ich listete dann erschwertes Anfahren und längere Bremswege als Nachteile auf, da für Anfahren und Bremsen beim Rücktritt die Kurbeln jeweils erst in geeignete Position gebracht werden müssen - und sich die Kurbeln dafür mangels Freilauf nicht einmal frei bewegen lassen. Ebenso die vergleichsweise schlechte Dosierbarkeit: Denn mit Rücktritt blockieren die Räder leicht. Ein blockierter Reifen bremst aber kaum noch.
Vielleicht den wichtigsten Aspekt habe ich in der Aufzählung aber vergessen zu erwähnen: Die Übung. Denn früher oder später wird fast jedes Kind auf ein ausschließlich handgebremstes Rad umsteigen. Und auch wenn die Umstellung in der Regel schnell und problemlos funktioniert, dürfte es im konkreten Fall einer Notbremsung doch einen gewaltigen Unterschied machen, ob bereits seit sechs Jahren oder erst seit z.B. sechs Wochen ein Gefühl für das Bremsen mit den Händen entwickelt werden konnte. Und wie schnell - oder langsam - die entsprechenden Reflexe dann schon funktionieren.
Alleine schon diesen Punkt betrachte ich als hinreichend starkes Argument, von Rücktrittbremsen an Kinderrädern abzuraten. Im Detail alles auch nochmal nachzulesen unter "Die Bremsen am Kinderfahrrad: Exkurs - Bitte keinen Rücktritt" - übrigens einer der beliebtesten Beiträge im Kinderfahrradfinder-Blog.
Fazit
Ich bin froh, die Gelegenheit bekommen zu haben, mit meinen Erfahrungen und auch Standpunkten zum wichtigen Thema Kinder und Straßenverkehr zum öffentlichen Diskurs beizutragen.
Den Radfunk - auch die anderen Ausgaben - mal anzuhören, kann ich nur empfehlen. Hier kann jeder noch was lernen. Auch jeder passionierte Radfahrer. Und sei es "nur", um einmal in einem unaufgeregten Setting, die Perspektive verschiedener Protagonisten rund um das Thema Radverkehr kennen- und vielleicht auch besser verstehen zu lernen.
Danke Klaas Rese und Paulus Müller für die Einladung und die tolle Moderation. Und Danke, Sonja Bongartz für das angenehme Gespräch und die Einblicke in den Erfahrungsschatz einer Fahrradpolizistin und Verkehrssicherheitsberaterin an Schulen.
p.s:
Ich hatte im Zuammenhang mit über die Radfahrprüfung hinaus gehender Integration des Themas Fahrrad an Schulen, den Berliner Lehrer Johannes Kowalewsky genannt, der an der Carl-von-Ossietzky Schule in Neukölln täglich mit Schülern aller Jahrgangsstufen Fahrrad fährt. Auf dem Schulhof, im Straßenverkehr, auf Touren und bei Rennen. Hier sei noch erwähnt, dass er auch in unregelmäßigen Abständen Workshops für Lehrer anbietet, die das Thema an ihrer Schule voranbringen möchten. Wer ihn diesbezüglich kontaktieren möchte: Einfach mal googlen.
Eine gute Infomationsquelle in diesem Kontext ist auch die Aktion Fahrrad - ein Zusammenschluss verschiedener Firmen und Organisationen im Fahrradbereich mit dem Ziel "Kinder und Jugendliche schon frühzeitig nachhaltig aufs Rad zu bringen". Unter Umständen können Schulen über die Aktion auch zu Ausrüstung und anderem kommen- von Trikots über Fahrräder bis hin zur fahrradbezogenen Klassenfahrt. Stichwort hierfür ist vor allem der Wettbewerb Deutschlands fahrradfreundlichste Schule. Außerdem werden neben vielem anderen auch Ausbildungen für Lehrer zum "Bike-Lehrtrainer" angeboten.
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